Notfälle

Notfälle bei psyschischen Krankheiten. Erste Hilfe Notwendigkeit erkennen und leisten.


Viele Helfer haben den Impuls, einen Menschen in Not mit aller Kraft aus den Problemen herausziehen zu wollen – sie gar selbst für ihn zu lösen.

Aber oft nützt es mehr, sich zurückzunehmen und den Betroffenen Autonomie zuzugestehen.

Erstreaktion des Helfenden - dabei hilft ein Perspektivwechsel, was würde ich mir wünschen, wenn ich selbst in so einer Situation wäre? Welche Maßnahmen können jetzt hilfreich sein?

Wichtig für Ersthelfer ist es, sich die eigenen Gefühle und die eigene Haltung zu psychischen Erkrankungen bewusst zu machen.

Kann ich diese Krankheiten als solche annehmen, ohne sie auf eine vermeintliche Schwäche zurückzuführen?

Was sind meine eigenen Berührungspunkte mit dem Thema? Letztlich dient der Erste-Hilfe-Kurs auch dazu, Mythen und Vorurteile über psychische Erkrankungen und ihre Behandlung auszuräumen.

Denn viele Menschen haben zumindest im Hinterkopf negative Erwartungen oder Vorurteile, beispielsweise über psychiatrische Unterstützungsangebote.

Psychisches Gleichgewicht ist eine wichtige Ressource. Nur wer bei Kräften ist, kann für andere hilfreich sein. Ziel ist die emotionale Gesundheit unserer sozialen Kontakte.

Wenn Freunde und Angehörige zu viel selbst schultern, kann ein ungesundes Gefälle entstehen. Dann zieht sich die eine Person immer weiter aus allem zurück, während die andere so viel Last trägt, dass sie schließlich selbst nicht mehr kann. Die eigene psychische Verfassung sollte immer an erster Stelle stehen. Wer anderen hilft, sollte sich also gerade deshalb die eigene Lebenslust und Leichtigkeit erhalten, Hobbys, Sport und andere soziale Kontakte pflegen.

Psychisches Gleichgewicht erlangen nach Krisensituation durch Ressourcenarbeit.

Besserung kommt letztlich durch angenehme und befriedigende Erfahrungen zustande: Wenn eine Person wieder merkt, dass sie die Autonomie und Fähigkeiten besitzt, ihr Leben selbst zu organisieren.

Wenn sie sich gut fühlt, weil das Haus geputzt, im Garten das Laub gerecht oder sie endlich wieder eine Stunde durch den Wald gelaufen ist. Das sind die ersten kleinen Schritte der Genesung.

Genesungsanzeichen sind zu erkennen, durch Beobachtung des Antriebs im Alltag. Dazu gehört das Schlafverhalten. Das Wiederbeleben von Interessen kann ein Anzeichen der Besserung sein. Der Apatit und das Essverhalten geben Auskunft über Gemütsverfassung und Optimismus. Auch dabei gilt, nicht zu viel und nicht zu wenig, sondern mit dem maßvollen Auge der Tugend, dem Mut und der Hoffnung. Bewegung bringt, die Sinne zum Arbeiten und Emotionen wieder in Gang. Gefühle und Empfindungen können neu bewertet werden, Kognitionen verändert.

Mit Ressourcenübungen kann dabei unterstützt werden.

Niemand muss sich allein verantwortlich fühlen für das Wohl eines psychisch Kranken. Zur Ersten Hilfe gehört auch, Betroffene zu ermutigen, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Das ist ein Anliegen, von unserem Kurs. Freundinnen und Angehörige können sich über verschiedene Angebote schlaumachen und davon erzählen:  Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen etwa, Sorgentelefon und natürlich psychotherapeutische Sprechstunden oder psychiatrische Tageskliniken.

Wer merkt, dass der oder die Betroffene Interesse daran hat, kann helfen, einen Termin auszumachen oder verschiedene Therapeutinnen überhaupt erst einmal anzurufen, das kann schon eine große Hilfe für Betroffene sein, die eben gerade nicht die Kraft und den Mut besitzen zum Hörer zu greifen.

Anders als bei körperlichen Leiden gilt die psychologische Erste Hilfe nicht nur akuten Notfällen. Sie dient auch dazu, Betroffene über den gesamten Verlauf einer Erkrankung zu begleiten. Persönlicher Beistand ist gerade dann wichtig, wenn sich ein Leiden verfestigt und auch dann noch, wenn jemand schon eine Psychotherapie begonnen hat. Ohnehin dauert es bei psychischen Krankheiten oft sehr lange, bis Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Häufig vergeht viel Zeit, bis sie ihre Beschwerden überhaupt als psychische Störung begreifen, und dann müssen sie erst noch herausfinden, wo sie Hilfe bekommen. Hinzu kommt die Wartezeit: Im Schnitt 20 Wochen warten Menschen in Deutschland auf einen Therapieplatz, wie eine Umfrage der Bundespsychotherapeutenkammer ergab. Etwa 80 Prozent der Betroffenen bleiben hierzulande am Ende ganz ohne professionelle Behandlung

Deshalb brauchen auch Angehörige und Freunde oft einen langen Atem. Doch außerhalb von akuten Krisen kann es für sie schwierig sein, überhaupt zu erkennen, ob jemand ein psychisches Problem hat. Die Symptome sind so variabel wie die Menschen und ihre Lebenssituationen. Aufmerksam zu sein und der eigenen Intuition zu trauen, ist die Erste Hilfe, die man zeigen und anbieten kann.  Angenommen, ein Freund sagt immer wieder Treffen ab, meidet große Menschenansammlungen oder ist über Wochen reizbar. Wer meint, dass sich eine Person verändert, sollte das ernst nehmen.

Letztlich geht es immer darum, das Gespräch zu suchen – zu einer ruhigen Stunde, an einem angenehmen, vertrauten Ort. Und ohne vorgefertigte Meinung. Niemand sollte seiner Mutter, dem Freund oder einer Kollegin eine Verhaltensveränderung vorwerfen oder gar eine psychiatrische Diagnose aufdrücken. Es geht darum, nachzufragen und konkret anzusprechen, welche Verhaltensweisen man beobachtet hat, die einem Sorge bereiten: Mir ist aufgefallen, dass du unsere letzten vier Treffen abgesagt hast. Ich mache mir Sorgen. Wie geht es dir im Moment? Damit ist die Tür geöffnet.

Manch Betroffener möchte seine Probleme vielleicht gar nicht anerkennen, geschweige denn darüber sprechen. Das heißt nicht, dass es falsch war, diese Person anzusprechen. Aber diese Grenzen muss man respektieren. Auf keinen Fall sollte man enttäuscht oder verärgert reagieren. Erste Hilfe ist bei psychischen Problemen immer nur ein Angebot. Man darf und sollte es zwar wiederholen, aber letztlich muss das Gegenüber bereit sein, die Hilfe anzunehmen.