Körper und Geist – ein untrennbares Paar
Wie wir psychosomatische Erkrankungen erkennen und versorgen können.
Fast jeder hat es schon erlebt: vor einer wichtigen Prüfung in der Schule oder bei der Arbeit bekommen wir weiche Knie und ein flaues Gefühl im Magen. Dabei geht es uns doch körperlich gut?
Dieses Phänomen ist ein anschauliches Beispiel für eine psychosomatische Beschwerde, bei dem der Körper (“Soma“) vom Geist („Psyche“) beeinflusst wird. Selbstverständlich kann das Ganze auch umgekehrt geschehen.
Die Beziehung zwischen Körper und Seele.
Besonders lang anhaltende Schmerzen oder chronische Erkrankungen wie Asthma oder Rheuma sind schlecht für unsere Psyche. Der Körper hingegen leidet auch unter psychischen Problemen. Angst, Stress oder Trauer machen sich im Körper bemerkbar. Das liegt daran, dass diese psychischen Symptome dazu führen, dass unser Gehirn Botenstoffe mit dem Rest des Körpers austauscht.
Das medizinische Fachgebiet, das sich mit ebendiesem Zusammenspiel zwischen Körper und Geist befasst, bezeichnet man als Psychosomatik. Kennzeichnend für die Psychosomatik ist das Betrachten des Menschen als ganzheitliches Wesen. Sie beschäftigt sich mit den Krankheiten und Leiden, die durch psychische Probleme verursacht werden können. Wichtig ist es jedoch zu beachten, dass nicht alle körperlichen Leiden, für die keine genaue Ursache gefunden werden kann, ihren Ursprung in einer psychischen Erkrankung haben. Komplexe Erkrankungen benötigen oft einen längeren Prozess der Diagnose, um festzustellen, wo das Problem liegt. Es sollte nicht vorschnell von einer psychischen Erkrankung ausgegangen werden.
Bei jedem/jeder dritten Patienten und Patientin kann jedoch keine Ursache für ihr körperliches Leiden festgestellt werden. Man kann also vermuten, dass psychische Beschwerden zumindest teilweise der Grund für ihre Krankheit sind. Diese sogenannten „somatoformen Störungen“ können in den verschiedensten Arten auftreten.
Stechen im Brustbereich, Schwindel und Herzrasen sind Beschwerden, über die viele Patienten und Patientinnen klagen.
Auch Magen und Darmprobleme wie Blähungen, Durchfall und Verstopfung sind häufige Probleme. Andere werden von Rückenschmerzen und einem verspannten Nacken geplagt. Derartige Beschwerden gehören zu denen, für die sich keine klare Ursache finden lässt. Patienten und Patientinnen, die von solchen Krankheitssymptomen betroffen sind, haben oft eine abenteuerliche Tour durch eine Vielzahl an Arztpraxen und diverse fehlgeschlagene Diagnosen hinter sich. Oft kommt zu der eigentlichen Krankheit noch die Angst, dass es sich um eine schreckliche, unheilbare Krankheit handeln kann. Studien zufolge kann es bis zu sieben Jahre dauern, bis somatoforme Störungen erkannt sind und die Patientinnen und Patienten in eine Psychotherapie überwiesen werden können. Grund dafür kann auch sein, dass sich viele der Erkrankten für dumm verkauft fühlen, wenn man sie mit ihren körperlichen Beschwerden an einen Psychotherapeuten oder Psychiater verweist. Jedoch sollten Patientinnen und Patienten darüber nachdenken, solche Empfehlungen zu berücksichtigen, denn ein Experte oder eine Expertin für Psychologie kann den Grund der körperlichen Beschwerden herausfinden.
Die Entstehung somatoformer Krankheiten kann verschiedene Gründe haben. Der Körper reagiert auf seelische Leiden wie Anspannung, Angst, Hilflosigkeit oder Einsamkeit. Diese können so den Stoffwechsel und das Immunsystem beeinflussen und zu Symptomen wie Schlafstörungen oder Verspannungen führen. Bestehen diese Symptome für eine längere Zeit, können dadurch andere Symptome und Krankheiten entstehen. Die meisten Erkrankten erleiden durch die ersten körperlichen Symptome noch größeren Stress, was schließlich dazu führt, dass sie in einen Teufelskreis geraten, in dem sich durch den Stress ihre Krankheit kontinuierlich verschlimmert.
Studien haben bewiesen, dass das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen und Krebserkrankungen durch das Gefühl von Einsamkeit und soziale Abschottung erhöht wird. Hierbei ist es zu beachten, dass wir viele unserer Ängste, die zu diesen Gefühlen führen, nicht wahrnehmen. Lieber verdrängen wir sie, anstatt uns mit ihnen auseinanderzusetzen, weil uns der Alltag leichter fällt. Das kann funktionieren, denn man muss sich nicht dauerhaft mit den eigenen Problemen beschäftigen, um gesund zu sein. Verdrängung kann jedoch auch zu Krankheiten führen. Oft zeigen Menschen in körperlichen Leiden, dass sie ein psychisches Problem haben, wenn der Patient oder die Patientin lange versucht haben, dieses zu verdrängen.
Eine psychologische Erklärung für psychosomatische Krankheiten ist, dass die Erkrankten glauben, dass ihr Leiden einen Sinn hat. Glaubt eine Patientin also, einen anderen Menschen verletzt zu haben und ist von Schuld geplagt, dann denkt sie vielleicht, dass sie ihre Schuld verringern kann, indem sie körperlich leidet und entwickelt deshalb eine psychosomatische Erkrankung. Hier kann eine Psychotherapie dabei helfen, dem Problem auf den Grund zu gehen und die seelische Ursache zu finden. Vielleicht kann die Patientin schon durch eine Entschuldigung bei der anderen Person ihre Symptome verringern.
Ein weiteres Beispiel kann sich in Beziehungen abspielen. Fühlt sich ein Partner vernachlässigt, entwickelt er oder sie womöglich Symptome einer körperlichen Krankheit, um seinen/ihren Partner auf sich aufmerksam zu machen. Selbst wenn das nicht funktioniert, bekommt der oder die Erkrankte die Aufmerksamkeit der Ärzte. Es darf jedoch nicht angenommen werden, dass Menschen diese Krankheiten bewusst entwickeln, denn meistens passiert das im Unterbewusstsein.
Bei somatoformen Erkrankungen ist es wichtig, schnell zu handeln. Bestehen diese für eine längere Zeit, neigen sie dazu schlimmer zu werden. Leiden sie schon seit über sechs Monaten an körperlichen Beschwerden und kein Fach- und kein Hausarzt konnten ihnen weiterhelfen. Dann lohnt es sich für sie vielleicht, sich nach psychotherapeutischer Hilfe umzusehen.
Psychologen und Ärzte mit Zusatzausbildung können ihnen helfen, den Grund für ihre Krankheit zu finden und ihr Leben wieder zu verbessern.
Abwarten und Tee trinken … ist tatsächlich oft die beste Medizin.
Abwarten und Tee trinken. Was so passiv klingt, ist in vielen Fällen tatsächlich die sinnvollste Reaktion auf das unangenehme Auftreten der ersten Krankheitssymptome. In Wirklichkeit ist der Körper in dieser Zeit nämlich alles andere als passiv.
Das beste Beispiel ist die klassische Erkältung. Wenn das berühmte Kratzen im Hals losgeht, weiß niemand genau, wie lange der Ansturm auf deine Abwehrkräfte andauern wird. Eines ist jedoch sicher: Dein Immunsystem wird standhalten, die Angreifer abwehren und dich innerhalb eines Zeitraums von einem bis zehn Tagen vollkommen wiederherstellen. Dasselbe gilt für viele andere Krankheiten. Selbst schwerwiegendere Leiden wie arthrosebedingte Rückenschmerzen bekommt der Körper ganz alleine in den Griff.
Der genaue zeitliche Verlauf einer Wiedergenesung mag schwer zu prophezeien sein – wann die meisten Menschen zum Arzt rennen, ist dagegen absolut berechenbar: Wenn es am schlimmsten ist. Und genau das machen sich viele Ärzte, Heiler und Arzneimittelhersteller zunutze, um den Behandlungserfolg für sich zu beanspruchen. Dabei befindet sich der Körper nach der Klimax der Erkrankung längst ganz alleine auf dem Weg der Selbstheilung. Da lässt sich mit ein bisschen Kneten und Drücken und Hausmittelchen wie kalten Wickeln schnell der Eindruck erwecken, die Behandlung habe entscheidend zur Gesundung beigetragen.
Obendrein besagt das statistische Prinzip der Regression zur Mitte, dass auf eine schwere Erkältung überwiegend eine weniger schlimme folgt. Ganz einfach deshalb, weil die besonders starken Infekte seltener vorkommen. Wenn jemand nun z.B. auf dem Höhepunkt einer dieser besonders starken Erkältungen zu dem von der Pharmaindustrie als Wundermittel angepriesenen Medikament XY greift, erwartungsgemäß schnell gesundet und sogar die nächste Erkältung schneller auskuriert, wird er von der Wirkung der Arznei überzeugt sein. Schon schwört eine weitere Person auf eines der zahllosen verfügbaren Mittelchen, obwohl er mit bloßem Abwarten genauso schnell auf die Beine gekommen wäre.
Natürlich gibt es Erkrankungen, bei denen man eher früher als später ärztlichen Rat suchen sollte. Bei schweren Infekten oder Krebssymptomen kann eine frühe Diagnose helfen, unnötige Langzeitfolgen oder eine lebensgefährliche Entwicklung zu verhindern.
Eckart von Hirschhausen
Frag lieber zweimal nach.
Es stimmt: So manche schulmedizinische Behandlung ist unwirksam und überflüssig. Das macht konventionelle Therapieformen dennoch alles andere als überflüssig. Bei allen Krankheiten und Problemen, auf alternative Ansätze zurückzugreifen, kann lebensgefährlich werden. Geh kein unnötiges Risiko ein und hol dir lieber unabhängige Zweitmeinungen von ausgebildeten Medizinern ein.
Lass dich nicht für dumm verkaufen.
Wenn du das nächste Mal von einer Studie zu einem neuen Medikament hörst, mach dich mal schlau, von wem sie finanziert wurde. Wenn sie von dem Konzern finanziert wurde, der zufällig auch die Arznei vertreibt, darfst du mehr als skeptisch sein.
Gib nie die Hoffnung auf.
Auch nicht bei schweren Krankheiten. Zum einen kann die Hoffnung auf Heilung alleine schon Wunder bewirken. Zweitens ist die Chance auf eine Spontanheilung selbst bei schweren Krebsarten im Endstadium um etliches höher als die auf einen Sechser im Lotto!